Ein Ersatzwagen nach einem Unfall klingt erstmal nach einer prima Idee, um weiterhin mobil zu sein. Doch wer bezahlt den Mietwagen? Für wie lange? Und wer darf mit dem Ersatzauto fahren? Unser Ratgeber gibt Ihnen einen Überblick über Ihre Entschädigungs-Ansprüche – und mögliche Fallstricke.
Ersatzwagen nach einem Unfall: Erst ab 30 Kilometer pro Tag
Wenn Sie unverschuldet in einen Autounfall verwickelt wurden, ist die Sachlage eindeutig: Die Haftpflichtversicherung des Schädigers ist für die Schadensregulierung verantwortlich und muss dem Geschädigten gemäß Paragraf 249 BGB alle unfallbedingten Kosten ersetzen.
Dazu zählen nicht nur die Werkstatt-Kosten, sondern auch die Kosten für einen Sachverständigen und ggf. Anwalt, der Ersatz des Zeitwerts bei einem Totalschaden, gegebenenfalls Schmerzensgeld – und die Kosten für ein Ersatzfahrzeug, so lange das Unfallfahrzeug fahruntüchtig ist. Dieses bekommen Sie aber nicht ganz ohne Weiteres bezahlt: Sie müssen tatsächlich auf Ihr Fahrzeug angewiesen sein und es täglich mehr als 30 Kilometer nutzen. Über diese sogenannten Geringfügigkeitsgrenze wird regelmäßig vor Gericht gestritten. Und auch die Dauer der Mietwagennutzung ist ein ewiger Zankapfel bei der Kostenübernahme. Was Sie als Geschädigter beim Thema Ersatzwagen alles beachten müssen, erfahren Sie im Folgenden.
Häufige Fragen – schnelle Antworten
Sie können sich im Rahmen der Schadensregulierung statt eines Leihwagens auch den Nutzungsausfall auszahlen lassen. Die Nutzungsausfallentschädigung liegt je nach Modell und Ausstattung bei einem Tagessatz zwischen 23 und 175 Euro.
Als Unfallgeschädigter muss ihnen die Haftpflichtversicherung des Unfallgegners einen Mietwagen bezahlen. Allerdings übernimmt sie nur die Kosten für einen Wagen, der mit Ihrem eigenen Unfallwagen vergleichbar ist.
Wenn Sie als Geschädigter auf Ihr Fahrzeug angewiesen sind und täglich mehr als etwa 30 Kilometer (Geringfügigkeitsgrenze) damit zurücklegen müssen, haben Sie Anspruch auf einen Mietwagen.
Ersatzwagen nach Unfall: Die wichtigsten Punkte zum Abhaken
Voraussetzungen für einen Unfallersatzwagen
Fahrbedarf:
Grundsätzlich gilt, dass Sie als Geschädigter eines Unfalls einen Fahrbedarf nachweisen müssen, der oberhalb der sogenannten Geringfügigkeitsgrenze liegt.
Wenn Sie pro Tag weniger als 30 Kilometer fahren, kann Sie die gegnerische Haftpflicht auf Taxifahrten oder die Öffentlichen Verkehrsmittel verweisen. Und auch wenn Sie einen Zweitwagen haben, müssen Sie nachweisen können, dass dieser beispielsweise täglich vom Sohn oder der Tochter genutzt wird. Hier gibt es je nach Sachlage durchaus Verhandlungsspielraum, wie ein Urteil des BGH aus dem Jahr 2013 beweist (Az. VI ZR 290/11), beispielsweise, wenn der Unfallersatzwagen aus beruflichen oder persönlichen Gründen ständig verfügbar sein muss.
Die einzelnen Optionen bespricht Ihr Gutachter gerne mit Ihnen (info@kfzgutachterhamburg.com).
Es empfiehlt sich unbedingt, seine Ansprüche zeitnah nach dem Unfall anzumelden – sonst kann die Versicherung darauf verweisen, dass gar kein tatsächlicher Bedarf vorliegt, und die Zahlung von Nutzungsausfall oder die Kostenübernahme für einen Mietwagen verweigern.
Modellwahl:
Natürlich kann man nach einem Unfall aber nicht einfach zum Autovermieter gehen, sich einen schicken Sportwagen ausleihen und diesen dann für längere Urlaubsreisen nutzen. Die Versicherer dürfen die Kostenerstattung kürzen, wenn Sie den Mietwagen zu lange behalten oder wenn es sich um ein Modell handelt, das eine höhere Fahrzeugklasse hat als ihr eigenes Vehikel.
Zeitraum:
Der Mietwagenanspruch beginnt unmittelbar nach dem Unfall und gilt, so lange sich das Unfallauto beim Abschlepper, beim Gutachter oder in der Werkstatt befindet. So lange also, wie es für Sie in Folge des Unfalls unbenutzbar ist.
Gut zu wissen ist, dass Sie nach dem Gutachten ein bis zwei Tage Bedenkzeit haben, um sich zu entscheiden, ob Sie Ihr Auto reparieren lassen oder sich den Schadenersatz lieber auszahlen lassen möchten. Ein Mietwagen steht Ihnen auch für den Wiederbeschaffungszeitraum zu, falls Sie ein neues (gebrauchtes) Fahrzeug kaufen müssen.
Anspruch:
Generell haben Sie als Geschädigter eines Unfalls sofort einen Anspruch auf einen Ersatzwagen, falls Ihr eigenes Fahrzeug nicht mehr fahrtauglich ist.
Kürzungsgründe beim Unfallersatzwagen
- Vor allem der Zeitraum der Mietwagennutzung sorgt häufig für Streit zwischen Geschädigten und Versicherern, wenn diese versuchen, den Anspruchszeitraum zu kürzen. Achten Sie deshalb darauf, alle Verzögerungen zu dokumentieren. Denn wenn Sie aufgrund von längeren Standzeiten durch verzögerten Ersatzteillieferungen oder Lieferverzögerungen im Autohaus nichts für die längere Mietzeit können, gibt es keinen Grund zu kürzen.
- Ein häufiger Kürzungsgrund liegt außerdem vor, wenn die Versicherung nachweisen kann, dass sie Ihnen ein günstigeres Mietwagenangebot unterbreitet hat, Sie aber ein teureres Modell angemietet haben. Die Differenz müssen Sie dann leider selbst tragen.
- Vorsicht ist auch angebracht, wenn Sie sich von Freunden oder Bekannten ein privates Ersatzauto organisieren. Dann werden Ihnen in der Regel 50 Prozent der Ersatzforderungssumme gestrichen.
Bei allen Szenarien gilt: Die gegnerische Versicherung verlangt eindeutige Kostennachweise. Es empfiehlt sich daher, ein Fahrtenbuch zu führen, und Trips am Wochenende ebenso zu notieren wie notwendige Fahrten zur Arbeit oder zum Arzt. Denn wenn Sie mit Ihrem Mietwagen außergewöhnlich viel fahren, kann die Versicherung des Unfallgegners versuchen, zu kürzen.
Sonderfall Liebhaberfahrzeug:
Hier muss die gegnerische Haftpflicht im Zweifel die komplette Zeit der Reparatur bezahlen, auch wenn diese sich möglicherweise über Monate hinziehen kann. Denn lange Standzeiten wegen fehlender Ersatzteile sind im Falle von Liebhaberfahrzeugen vergleichsweise häufig (vgl. Urteil des Landgerichts Bielefeld, Az. 2 O 85/16).
Wer darf den Leihwagen fahren?
Ein Unfallersatzwagen darf in aller Regel nur vom Geschädigten selbst gefahren werden. Doch es gibt Ausnahmen: Wenn der Unfallwagen zwar auf Sie zugelassen ist, es jedoch täglich von Ihrer Frau oder Ihrem volljährigen Kind für die Fahrt zur Arbeit genutzt wird, können diese als Fahrer eingetragen werden. Dies sollte jedoch schon bei der Anmietung des Ersatzwagens im Vertrag notiert werden.
Nutzungsausfallentschädigung oder Mietwagen?
Wenn Sie die Fahrten zur Arbeit auch anders organisieren können, fragen Sie sich vielleicht: Kann ich mir die Mietwagenkosten auch auszahlen lassen?
Kurz gesagt: Eine fiktive Abrechnung der Leihwagenkosten ist nicht möglich. Sie können sich aber als Alternative zum Ersatzwagen den Nutzungsausfall ausbezahlen lassen. Je nach Modell und Ausstattung stehen Ihnen als Tagessatz zwischen 23 und 175 Euro zu. Grundlage für diese Beträge ist die sogenannte Schwacke-Liste für Gebrauchtwagen, in der die Tagessätze für rund 38.000 Fahrzeugmodelle in 11 Fahrzeuggruppen hinterlegt sind.
Aber: Die Nutzungsausfallentschädigung fällt nur dann an, wenn Sie eine Nutzungsmöglichkeit haben (also nicht gerade fahruntüchtig im Krankenhaus liegen) und auch ein Nutzungswille besteht. Das bedeutet, dass Sie oder ein anderes Haushaltsmitglied beispielsweise normalerweise täglich mit dem Auto zur Arbeit fahren.
Achtung Teilschuld!
Falls es noch Unstimmigkeiten bezüglich des Unfallhergangs und der Schuldfrage gibt, kann es sein, dass Sie bei einer Teilschuld im Nachhinein auf einem Teil der Leihwagenkosten sitzen bleiben. Wenn Sie sich für eine Nutzungsausfallentschädigung entschieden haben, müssen Sie nichts draufzahlen – Sie bekommen lediglich eine geringere Summe ausbezahlt als ursprünglich gedacht.
Wer bezahlt das Leihfahrzeug?
Ist die Schuldfrage eindeutig geklärt und Sie sind komplett unschuldig an dem Verkehrsunfall, dann muss die Haftpflicht des Unfallverursachers die Kosten für einen Mietwagen übernehmen.
Wenn Sie teilweise oder komplett selbst schuld sind an dem Unfall, dann springt möglicherweise Ihre Vollkaskoversicherung ein. Sie sollten allerdings unbedingt in Ihren Vollkasko-Vertrag schauen, bevor Sie einen Leihwagen anmieten. Sonst kann es passieren, dass Sie die Rechnung aus eigener Tasche bezahlen müssen.
Muss ich bei den Mietwagenkosten in Vorkasse gehen?
Nein. In aller Regel wird der Autovermieter sich mit der zuständigen Kfz-Versicherung in Verbindung setzen und die Regulierung der Kosten besprechen. Mit der Abrechnung haben Sie nur dann etwas zu tun, wenn es mit der Durchsetzung der Kostenerstattung Probleme gibt. Dieses Risiko können Sie durch die Beachtung der folgenden Punkte minimieren:
Ersatzwagen: Welche Fahrzeugklasse darf ich wählen?
Ihr Kleinwagen ist beim Unfall demoliert worden und als Ersatz gönnen Sie sich ein schickes Audi Cabrio? So läuft es leider nur im Märchen. Laut zahlreicher Gerichtsurteile ist es lediglich zulässig, sich einen Mietwagen zu nehmen, der der Klasse des eigenen Wagens entspricht.
Merken Sie sich als Faustregel: Der Ersatzwagen muss ein vergleichbares Modell zum unbenutzbaren Unfallwagen sein. Wenn Sie auf Nummer Sicher gehen wollen, nehmen Sie sogar ein Auto mit einer geringeren Fahrzeugklasse. Das Amtsgericht Frankfurt am Main hat jedoch in einem Urteil entschieden, dass ein Porsche-Fahrer sich auch einen Porsche als Ersatz mieten darf (Az. 29 C 937/16). Und der Bundesgerichtshof entschied, dass die gegnerische Versicherung beim Mietwagen den Zuschlag für eine Vollkasko bezahlen muss, auch wenn das Unfallfahrzeug gar nicht vollkaskoversichert war (BGH, Az. VI ZR 74/04).
Wie lange darf ich einen Ersatzwagen nutzen?
Selbstverständlich gibt es auch für den Anspruchszeitraum eines Leihwagens klare Grenzen, kein Versicherer wird etwas länger bezahlen als unbedingt nötig. Der Grundsatz der Schadenminderungspflicht gilt auch hier: Sie müssen also darauf achten, dass die Zeitspanne vom Beauftragen Ihres Sachverständigen bis zum Ende der Reparatur bzw. des Ersatzwagenkaufs angemessen bleibt. Doch was ist angemessen?
Die Gutachtenerstellung sollte nicht länger als eine Woche dauern. Danach haben Sie ein bis zwei Tage Bedenkzeit, um sich zu entscheiden, ob Sie den Unfallwagen reparieren lassen möchten oder nicht. Die eigentliche Reparaturzeit bzw. der Wiederbeschaffungszeitraum variieren je nach Schäden und Verfügbarkeit. Sie sollten jedoch daran denken, alle Abläufe und Kosten eindeutig mittels Rechnungen und eines Fahrtenbuchs dokumentieren zu können. So vermeiden Sie Streitigkeiten im Nachgang.
Sie haben noch mehr Ansprüche als Unfallgeschädigter
Die Ansprüche eines Unfallgeschädigten sind eindeutig im Paragraf 249 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) geregelt, und auch der Bundesgerichtshof hat in einem Urteil 2017 (BGH Az. VI ZR 182/16) folgendes konstatiert:
Der Geschädigte eines Unfalls hat einen Anspruch auf den Ersatz aller unfallbedingten Folgekosten durch die Haftpflicht des Unfallverursachers. Dieser Schadenersatz beinhaltet:
All diese Ansprüche unterliegen jedoch der Schadenminderungspflicht. Dies bedeutet, Sie müssen versuchen, die Kosten möglichst gering zu halten – im Rahmen des Zumutbaren.
Unfallersatzwagen bei einem Totalschaden
Ist das Auto nach einem Unfall so stark beschädigt, dass ein wirtschaftlicher Totalschaden vorliegt (sich eine Reparatur also nicht mehr rechnen würde), steht Ihnen ein Mietwagen für die Zeit der Ersatzbeschaffung eines vergleichbaren Fahrzeugs zu.
Ein Kfz-Sachverständiger vermerkt in seinem Gutachten einen Durchschnittswert für den Zeitraum, der benötigt wird, um ein vergleichbares Auto auf dem Gebrauchtwagenmarkt zu beschaffen. Meist liegt diese Spanne zwischen 14 und 16 Tagen. Dauert der Neukauf entgegen der Erwartungen länger, kann es vorkommen, dass die gegnerische Versicherung nachhakt oder sich weigert, die längere Mietwagennutzung zu bezahlen.
Sie sollten deshalb genau dokumentieren, weshalb sich die Ersatzbeschaffung verzögert. Hier hilft Ihnen ein erfahrener Gutachter (info@kfzgutachterhamburg.com) zielführend weiter.
Urlaubszeit ist Reisezeit: Auch mit dem Leihwagen?
Das größtmögliche Ärgernis ist wohl ein Unfall direkt vor dem lange ersehnten Jahresurlaub. Kann ich den Ersatzwagen dann auch für eine Freizeitfahrt nutzen und damit in Urlaub fahren? Ja, das ist zulässig. Auch wenn Ihr eigenes Fahrzeug während des Urlaubs wieder nutzbar würde, dürfen Sie den Mietwagen für die gesamte Urlaubsdauer nutzen. Die Schadenminderungspflicht greift in diesem Fall nicht, da Ihnen eine Unterbrechung Ihres gebuchten Urlaubs nicht zuzumuten ist (Vgl. Urteil des AG Berlin-Mitte aus 2022, Az. 112 C 3079/13 Nr. 133151). Ausnahmen bestehen möglicherweise nur, wenn Sie einen Zweitwagen besitzen oder Urlaub ganz in der Nähe Ihres Heimatortes machen und ein Auto-Tausch problemlos möglich ist.
Unfall mit einem gewerblich genutzten Fahrzeug
Wenn Sie mit einem gewerblich genutzten Wagen verunfallt sind, haben Sie je nach Sachlage möglicherweise ebenfalls Anspruch auf die Kostenerstattung für einen Mietwagen. Eine fiktive Abrechnung der Mietwagenkosten ist in diesem Fall jedoch nicht möglich. Auch die Auszahlung einer Nutzungsausfallentschädigung ist ausgeschlossen (AG Berlin-Mitte, Az. 109 C 3189/15, 2016). Allerdings können Gewerbetreibende Schadenersatz fordern, und zwar für angefallene Kosten sowie entgangene Gewinne. Diese müssen bei der gegnerischen Versicherung allerdings explizit nachgewiesen werden können.
Versicherung zahlt nicht? Das ist nun zu tun!
Immer wieder kommt es beim Thema Ersatzwagen nach einem Unfall zu Unstimmigkeiten zwischen Unfallgeschädigten und Versicherern. Diese sind Wirtschaftsunternehmen und versuchen natürlich, ihre Kosten möglichst gering zu halten. Kürzungsversuche sind an der Tagesordnung.
Für Sie als Laien ist es angesichts der sich ständig ändernden Rechtslage kaum möglich, alle aktuellen Entwicklungen im Auge zu behalten. Ein erfahrener Sachverständiger wie das Kfz Gutachter Institut Hamburg (Telefon 040-60 59 08 54) steht Ihnen jederzeit mit Rat und Tat zur Seite und nimmt Ihnen die Recherche und den Schriftverkehr ab. Im Fall eines Rechtsstreits können wir Ihnen auch einen kompetenten Anwalt für Verkehrsrecht aus unserem Netzwerk empfehlen.
Fazit
Zu teuer, zu lange, unberechtigt – beim Thema Ersatzfahrzeug bei einem unverschuldeten Autounfall versuchen die Haftpflichtversicherer gerne, zu kürzen, wo es geht. Kommen Sie bei Fragen gerne auf uns zu (info@kfzgutachterhamburg.com), wir unterstützen Sie bei der Durchsetzung Ihrer Ansprüche, übernehmen den Schriftverkehr für Sie und sorgen für einen reibungslosen Ablauf Ihrer Schadensregulierung.