Es klingt so einfach: Nach einem unverschuldeten Autounfall muss der Ihnen entstandene Schaden von der gegnerischen Haftpflichtversicherung ersetzt werden. Doch bei der Regulierung lassen sich die Versicherer einiges einfallen, um weniger bezahlen zu müssen. Ein typischer Fall für (unberechtigte) Kürzungsversuche sind die Verbringungskosten.
Millionenfach Streit um rund 100 Euro
Rund 2,7 Millionen Unfälle passieren pro Jahr auf deutschen Straßen. Und jeder, der schon einmal einen Autounfall hatte, weiß, dass schon beim kleinsten Rempler Lackschäden entstehen. Es fallen also Millionen Mal Verbringungskosten für den Transport des Unfallfahrzeugs von der Fachwerkstatt zur Lackiererei an – und diese Kosten sind vielen Haftpflichtversicherungen ein Dorn im Auge. Sie versuchen, die Transportkosten unter allerlei Vorwänden zu kürzen. Hier erfahren Sie, ob und wann das rechtens ist – und was Sie gegen unrechtmäßige Kürzungen unternehmen können.
Was ist eine Fahrzeugverbringung?
Zunächst fragen Sie sich wahrscheinlich: Was sind Verbringungskosten eigentlich? Ganz einfach: Kaum ein Kfz-Betrieb oder eine Markenwerkstatt hat eine eigene Lackier- oder Vermessungsanlage. Für den Transport eines Unfallwagens zum Lackierbetrieb oder zum Vermessen und wieder zurück fallen deshalb Kosten an – die sogenannten Verbringungskosten. Deren Höhe weist ein Kfz-Sachverständiger in seinem Schadengutachten aus – als Pauschalbetrag oder auf Basis von Arbeitsstunden.
Die wichtigsten Fragen und Antworten
Sie haben als Geschädigter zwar bei der Regulierung die Pflicht, den Schaden so gering wie möglich zu halten. Bei den Verbringungskosten greift diese Schadensminderungspflicht aber nicht vollumfänglich. Verbringungskosten sind (auch bei fiktiver Abrechnung) erstattungsfähig.
Wie sieht es mit Verbringungskosten bei Totalschaden aus?
Ja, auch wenn ein unfallbeschädigtes Fahrzeug zum Vermessen in einen externen Karosseriebetrieb gebracht werden muss, können die anfallenden Verbringungskosten abgerechnet werden.
Nein, auch eine freie Reparaturwerkstatt berechnet meist Verbringungskosten.
Die Höhe der Verbringungskosten ist regional sehr unterschiedlich und pendelt meist zwischen 75 und 200 Euro. Welche Zahl für Ihre Region angemessen ist, ermittelt ein Kfz-Sachverständiger in seinem Schadengutachten.
Bei einer konkreten Abrechnung, also wenn Sie den Unfallschaden in einer Werkstatt reparieren lassen, verbucht der Kfz-Betrieb diesen Kostenblock für sich. Bei der fiktiven Abrechnung auf Gutachtenbasis bekommen Sie als Geschädigter die im Sachverständigengutachten genannte Summe für die Reparatur – inklusive der Verbringungskosten.
Nach einem unverschuldeten Verkehrsunfall hat man Anspruch auf die Erstattung aller unfallbedingten Kosten, dazu zählen auch die Verbringungskosten. So lange sie regional üblich sind und im Kfz-Gutachten enthalten sind, besteht volle Ersatzfähigkeit.
Wie wird die Höhe der Verbringungskosten ermittelt?
Was die Höhe der Verbringungskosten angeht, gibt es keine pauschalen Zahlen, denn diese sind regional sehr unterschiedlich. Meist liegen sie in etwa zwischen 75 und 200 Euro. Der entscheidende Faktor ist, was ortsüblich ist. Ein versierter Kfz-Gutachter wie das Kfz Gutachter Institut Hamburg (Telefon 040-60 59 08 54) kennt die regionalen Gegebenheiten und kann Sie hierzu konkret beraten. Denn auch die Rechtsprechung ist regional sehr verschieden.
In Urteilen in Unna und Hamburg wurde von den Amtsgerichten jeweils entschieden, dass nicht nur die reine Fahrzeit für die Verbringungskosten ausschlaggebend ist, sondern dass auch das Auf- und Abladen und die Sicherung des Fahrzeugs einbezogen werden müssen (AG Unna 2017, Az. 15 C 127/17; AG Hamburg-Bergedorf 2017, Az. 409 C 195/16).
Verbringungskosten gekürzt – was tun?
Zunächst stellt sich die grundsätzliche Frage: Dürfen Haftpflichtversicherungen Verbringungskosten kürzen? Die Antwort: Nein. Die Rechtsprechung ist bei diesem Thema eindeutig auf der Seite des Geschädigten. Werkstattkosten, die entsprechend § 632 Abs. 2 BGB ortsüblich sind, müssen von der eintrittspflichtigen Haftpflichtversicherung erstattet werden.
Aber Versicherungen sind Wirtschaftsunternehmen und als solche versuchen sie natürlich, ihr Verluste möglichst gering zu halten. Auch wenn es sich bei den Verbringungskosten nur um zwei- oder niedrige dreistellige Beträge handelt, scheint sich die Kürzungstaktik doch zu lohnen. Kleinvieh macht eben auch Mist.
Typische Argumente, mit denen der Haftpflichtversicherer kürzt:
- Nicht die Kfz-Werkstatt sondern die Lackiererei hätte die Verbringung durchgeführt, deshalb wären die Kosten außerhalb des Erstattungsbereichs der Versicherung
- Die Verbringungskosten seien zu hoch, da es eine näher gelegene Lackiererei gegeben hätte
- Im Rahmen einer fiktiven Abrechnung hätte der Geschädigte keinen Anspruch auf Verbringungkosten, da das Fahrzeug ja auch nicht repariert worden sei. Mit dieser Argumentation versuchen die Versicherer auch andere Schadenspositionen einer fiktiven Abrechnung wie Stundenverrechnungssätze, UPE-Aufschläge, Wertminderung oder Restwert zu drücken
Solcherlei Kürzungen müssen Sie nicht hinnehmen. Ihr Kfz-Sachverständiger (info@kfzgutachterhamburg.com) kann Sie entsprechend der regionalen Gegebenheiten beraten und Ihnen im Streitfall auch einen kompetenten Rechtsanwalt vermitteln.
Gut zu wissen:
Wenn Sie der Unfallgeschädigte sind, muss die gegnerische Versicherung sowohl die Kosten für einen Gutachter wie auch für einen Rechtsanwalt für Verkehrsrecht übernehmen. So soll „Waffengleichheit“ hergestellt werden.
Wie weise ich Verbringungskosten nach?
Viele Versicherungen fordern sie, doch müssen Nachweise über die Verbringungskosten erbracht werden? Rechtlich gesehen müssen Sie als Geschädigter keine solchen Fremdrechnungen vorlegen, auch wenn die Haftpflichtversicherung Sie auffordert, höhere Kosten konkret nachzuweisen.
In der Regel werden sowieso nur fixe Pauschalbeträge erstattet, so dass ein konkreter Nachweis auch wenig Sinn macht. Bei einer fiktiven Schadensabrechnung genügt es, nachzuweisen, dass die Verbringungskosten gemäß § 632 Abs. 2 BGB ortsüblich sind – am einfachsten gelingt das mit der Expertise eines Gutachters, der die entsprechenden Beträge der Region kennt.
Verbringungskosten bei fiktiver Abrechnung
Die meisten Probleme mit der Erstattung für die Fahrzeug-Verbringungskosten entstehen bei der sogenannten fiktiven Abrechnung. Dann also, wenn der Geschädigte das unfallbeschädigte Fahrzeug selbst oder gar nicht repariert und sich stattdessen den Schadenersatz auszahlen lässt. Denn anders, als viele Versicherungen Glauben machen wollen, besteht der Anspruch auf Schadenersatz nicht nur, wenn tatsächlich eine Reparatur erfolgt.
Und auch Verbringungskosten und Ersatzteilaufschläge sind Teil einer fiktiven Reparaturrechnung, die die Basis für die Regulierung bildet. Folgerichtig müssen sie ebenfalls ersetzt werden. Dies hat unter anderem das OLG Dresden 2001 in einem Fall so entschieden (Az. 13 U 600/01), und das OLG Düsseldorf bestätigte in einem Urteil 2008 (Az. I-1 U 246/07) ebenfalls: Auch bei fiktiver Abrechnung hat ein Geschädigter Anspruch auf die Erstattung von UPE-Aufschlägen (vgl. auch NZV 2009, 42).
BGH-Urteile zu Verbringungskosten bei fiktiver Abrechnung
Auch der Bundesgerichtshof hat in einem Urteil 2013 (Az. VI ZR 401/12) für den Geschädigten entschieden: Die Reparaturkosten könnten bei einer fiktiven Abrechnung nicht in „angefallene“ und „nicht angefallene“ Einzelposten unterteilt werden. Eigentlich auch logisch, schließlich fällt bei einer fiktiven Schadensabrechnung, bei der nichts repariert wird, ja auch überhaupt nichts an.
2018 wurde die Sachlage vom BGH noch weiter präzisiert (Az. VI ZR 65/18): Ist ein Fahrzeug jünger als drei Jahre (oder älter als drei Jahre aber durchgehend in einer Vertragswerkstatt scheckheftgepflegt), dann sind auch bei fiktiver Abrechnung sowohl Verbringungskosten als auch UPE-Zuschläge zu erstatten.
Bei älteren Autos, die nicht regelmäßig in einer markengebundenen Vertragswerkstatt gewartet wurden, kann die Versicherung auf eine günstigere Referenzwerkstatt verweisen. Berechnet diese keine Verbringungskosten oder UPE-Aufschläge, kann der Geschädigte diese auch nicht erstattet bekommen.
Gibt es die Schadensminderungspflicht auch bei den Verbringungskosten?
Gegnerische Haftpflichtversicherungen können mitunter recht kreativ werden, wenn es um die Verringerung ihrer Kosten geht. Hierzu verweisen sie gerne auf die Schadensminderungspflicht, die den Geschädigten dazu anhält den zu regulierenden Schaden möglichst gering zu halten. Es werden Forderungen gestellt wie:
- Der Geschädigte müsse eine näher liegende Lackiererei nutzen
- Er könne das Auto ja selbst zum Lackieren oder Vermessen fahren
- Er müsse eine Reparaturwerkstatt mit integrierter Lackiererei ausfindig machen
Das Amtsgericht Nürnberg kam jedoch 2006 (Az. 31 C 211/06) zu dem Schluss, dass fiktive Verbringungskosten erstattungsfähig sind und nicht gegen die Schadensminderungspflicht verstoßen. Es ist wohl auch keinem Geschädigten ernsthaft zuzumuten, nach einer Werkstatt mit integrierter Lackiererei zu suchen, zumal Verbringungskosten ja meist auch sehr überschaubar sind. Ebensowenig kann der Geschädigte wissen, mit welchem Lackierbetrieb seine Werkstatt zusammenarbeitet.
Und auch eine Selbstverbringung um der Versicherung Kosten zu ersparen, mutet reichlich absurd an. Versucht die gegnerische Versicherung, Ihnen solcherlei Bürden aufzuerlegen, sollten Sie den Gutachter Ihres Vertrauens wie das Kfz Gutachter Institut Hamburg (info@kfzgutachterhamburg.com) oder einen Anwalt für Verkehrsrecht kontaktieren, der sie als Kläger im Zweifel auch vor Gericht gut vertreten kann.
Teil-/Voll-Kaskoversicherung: Müssen Verbringungskosten gezahlt werden?
Wenn Ihr Kaskovertrag keine gesonderten Klauseln zu Verbringungskosten enthält, gelten die gleichen Regeln wie bei Haftpflichtschäden. Auch das Amtsgericht Führt bestätigte dies 2017 in zwei Fällen (Az. 340 C 1325/17 und Az. 310 C 1324/17) und betonte, dass die Verbringungskosten zu den erforderlichen Reparaturkosten zu zählen sind.
Verbringungskosten bei Totalschaden
Fällt Ihr Fahrzeug nach einem Unfall in die Kategorie Totalschaden, können Sie den im Schadensgutachten ermittelten Wiederbeschaffungswert abzüglich des Restwerts erstattet bekommen. Möchten Sie den Fahrzeugschaden dennoch reparieren lassen, greift die 130-Prozent-Regelung: Die Kosten für die Reparatur inklusive Verbringungskosten dürfen den Wiederbeschaffungswert nicht um mehr als 30 Prozent übersteigen.
Doch auch wenn man einen Totalschaden fiktiv abrechnet besteht für Verbringungskosten Ersatzfähigkeit – allerdings nur dann, wenn der Unfallwagen noch fahrtüchtig ist und Sie ihn für mindestens sechs Monate weiter nutzen.
Fazit
Die Verbringungskosten sind neben den Ersatzteilaufschlägen eine der am häufigsten durch Haftpflichtversicherer gekürzten Schadenspositionen – meist zu unrecht. Denn die Kosten für die Verbringung sind grundsätzlich im Rahmen des Schadenersatzes für die unfallbedingten Kosten erstattungsfähig, und zwar unabhängig davon, ob es sich um eine konkrete oder eine fiktive Abrechnung handelt.
Dies gilt insbesondere dann, wenn diese Kosten innerhalb eines Kfz-Gutachtens explizit aufgeführt sind. Mit einem kompetenten Gutachter an der Seite sind Sie gut gewappnet – und falls sich die eintrittspflichtige Versicherung überaus uneinsichtig zeigt, kann dieser Ihnen auch einen erfahrenen Fachanwalt empfehlen. Wenn Sie der Geschädigte eines Unfalls sind, muss die Haftpflichtversicherung des Unfallgegners die Kosten hierfür übernehmen.